Vor der Bühne 03 – Keine Bühne für Nazis

Man glaubt der Vernunft, wo sie nicht ist: Das Theater Magdeburg lud in ihrer Gesprächsreihe „Politischer Salon“ zum Thema „Falsch abgebogen? – Rechtsruck in Sachsen-Anhalt und Europa“ den völkisch-nationalistischen Verleger Götz Kubitschek auf die Bühne. Ihm gegenüber sollte der Innenminister Sachsen-Anhalts, Holger Stahlknecht, Würdenträger einer konservativen bis rechts-porösen Partei, sitzen. Die ebenso hehre wie naive Hoffnung: man würde herausfinden wer die Protagonisten dieser „Neuen Rechten“ sind und sich „aktiv und kritisch“ damit auseinandersetzen. Das klingt vernünftig, untergräbt aber zwangsweise den eigenen moralischen wie auch kritischen Standpunkt. Wer rechten Apologeten die Bühne gibt um sie kritisieren, vielleicht sogar demaskieren zu wollen – oder was auch immer man sich von Holger Stahlknecht (und in weiteren Rollen die Kulturschaffende Elisabeth Schweeger und MDR-Moderatorin, erhofft hatte) – fungiert schlussendlich nur als Resonanzraum für deren völkischen, rassistischen und paranoiden Meinungskosmos. Diese Menschen brauchen keine Bühne – sie brauchen weniger! Wenn man vom Rechtsruck in Deutschland und Europa sprechen will, muss man die Menschen hören, die seit Jahren und jetzt zunehmend mehr darunter leiden – aber auch diesen bekämpfen: migrantische Gruppen, Opfer rechter Gewalt, antifaschistische und zivilgesellschaftliche Gruppen. Diese Menschen verfügen über Erfahrung und ein anderes – ein positivistisches Bild von gemeinsamen Zusammenleben. Diese Menschen wurden aber nicht eingeladen, nicht mal als vermeintlichen Gegenpart. Ein etwas penetrantes Problem auf deutschen Bühnen – Repräsentation.
Die Veranstaltung wurde nach nur kurzer Zeit abgesagt. Den rechten Demagogen reicht schon die Einladung als Erfolg, auch in der Absage werden sie sich in ihrem kruden Weltbild der „Meinungsdiktatur“, der „Lügenpresse“ etc. bestätigt fühlen und feiern. Das Theater Magdeburg verteidigt sich indes in ihrer Haltung und offenbart einmal mehr wie sehr sich der Rechtsruck schon in der öffentlichen Wahrnehmung normalisiert hat: „Das Ziel, eine fundierte Kritik an den »neurechten« Ideologien Götz Kubitscheks mittels der Podiumsgäste üben zu können, ist durch das Ungleichgewicht, das durch die Absage von Herrn Stahlknecht entsteht, nicht mehr möglich.“

Nicht nur wird die Rolle von Herrn Stahlknecht hoffnungslos überbewertet, man glaubt auch nicht adäquaten Ersatz finden zu können und denkt noch nicht mal daran, dass ein Ideologe wie Kubitschek sich auf ein faires Miteinander, auf Kritik und Argumente überhaupt nicht einlassen wird. Er würde seinen braunen Quark erzählen und dafür – nennt es postfaktisch, nennt es wissensresistent – seine AbnehmerInnen finden, mehr braucht er nicht. Das Signal aber wird sein: Sehet ihr gläubigen Pegidisten, einer der Eurigen hat es vom bodenfrostigen Theaterplatz in Dresden nun auf die fast ganz große Bühne geschafft und das (wirre) Volk ward erhört, es bricht das Schweigen!

Aber Butter bei die Fische liebes Theater Magdeburg: ganz richtig, bei einer AfD-Wählerschaft von über 25% in Sachsen-Anhalt ist die kritische Auseinandersetzung mehr als notwendig – und mit ein wenig Recherche schafft man es schon Probleme zu thematisieren ganz ohne den Problembär gleich auf die Bühne zu komplimentieren. Das ist dann auch alles andere als ignorant. Antifaschistische Gruppen, FAZ- und 3Sat-Redakteure, sogar der Verfassungsschutz, kennen den Götz nicht erst seit gestern. Aus seinem kleinen Rittergut in der anhaltinischen Provinz, seinem „Institut für Staatskunde“ und dem „Antaios Verlag“ entspringt seit geraumer Zeit die geistige Kloake, die als kanonischer Kaugummi für all die vermeintlich abgehängten Männer dient – die AfD’ler, die aktivistischen „Identitären“, die „Sezessionisten“, „Blauen Narzissen“, Antisemiten und Rassisten, die sich das erdenken, was sich ganz real und gewalttätig längst in Deutschland und Europa bahn bricht. Der erdachte Volkskörper zürnt nach „oben“ und tritt nach unten. Als Theater muss man sich fragen, ob man dem unerträglichen Status Quo einfach die Bühne überlässt oder ob man dem ein anderes Narrativ entgegensetzt. Einer Zukunft Raum gibt, wo Rassismus und Nationalismus nicht als frohlockende Alternative erscheinen. Theater kann das eigentlich.

 

http://www.theater-magdeburg.de/extras/extras-im-schauspielhaus/politischer-salon/

https://patrick-gensing.info/2016/11/30/kubitschek-auf-augenhoehe-mit-dem-innenminister/

http://www.mdr.de/sachsen-anhalt/landespolitik/streit-gespraech-stahlknecht-kubitschek-100.html

http://vonnichtsgewusst.blogsport.eu/2016/11/05/redebeitrag-demo-schnellroda-05-11-2016/

 

von Rob Kraatz