Vor der Bühne 02 – Reclaim the piazza!
Foto: dpa
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Reclaim the piazza!
Das Staatstheater Mainz übt sich in zivilem Ungehorsam und stört eine Kundgebung der rechtspopulistischen bis rechtsradikalen AfD. Dazu mussten sie nicht einmal das Theater verlassen. Die AfD und ihre AnhängerInnen versammelten sich letzten Samstag (21.11.2015) auf dem Gutenbergplatz vor dem Theater um das „Asylchaos“ von rechts auszuschlachten. Das Theater konterte mit offenen Fenstern und einer lautstarken „Chorprobe“ von „Ode an die Freude“. (Ich persönlich stelle mir das hier choral noch passender vor)
Nicht nur die AfD sondern auch die Polizei schien dies sichtlich verunsichert zu haben. Gut gemacht! Letztere reagierten nun in voreiligem Gehorsam mit einer Anzeige wegen Störung des Versammlungsrechts gegen das Staatstheater Mainz. Der Erfolg solcher Anzeigen, wenn sie sich gegen akustischen Gegenprotest richten, ist eher gering (Trillerpfeifen oder Kirchenglocken werden in solchen Fällen auch selten belangt). Die Fraktion der Menschen, die probieren Gegenproteste immer wieder zu kriminalisieren und sich dabei auf das demokratische Anrecht einer AfD-Versammlung berufen, vergessen ganz gerne, das auch Gegenprotest ein wichtiger und legitimer Teil einer demokratischen Gesellschaft ist. Zudem ist es mehr als notwendig sich mit den antidemokratischen, rassistischen und menschenfeindlichen Postulaten dieser (sich gerne als anti-establishment gerierenden, faktisch aber seit über einem Jahr nahezu untätig im Sächsischen Landtag sitzenden und in rechten Wässern fischenden) Partei, lautstark auseinanderzusetzen.
Die Strategie vermeintlich „asylkritischer Bürgerbewegungen“ (the walking deutsch), als dessen politisches Sprachrohr sich die AfD aufzubäumen versucht, öffentliche Plätze regelmäßig mit ressentiment-geladenen BürgerInnen zu besetzen, ist mehr als gefährlich. Sie bedeutet die Umkehrung eines (sowieso schon stark belasteten) Verständnis von öffentlichem Raum als Ort der Partizipation UND Inklusion, Ausdruck und progressiven Protestes – in einen der Abwehr, des Ressentiments, Hasses und Intoleranz.
Pegida eignet sich den Theaterplatz in Dresden (der zur zeit des Nationalsozialismus „Adolf-Hitler-Platz“ hiess, was sicherlich so einigen ihrer Gefolgschaft warme Sohlen bereitet) in sicherer Regelmässigkeit an (die Bürgerinitiative „Herz statt Hetze“ würde auch gerne, das wird jetzt juristisch ausgefochten). Gegenprotest ist zumindest zahlentechnisch unterlegen und so wird nicht nur Montags Dresdens Altstadt für zunehmend mehr Menschen ein unangenehmer und repressiver Ort. Gegenüber des Theaterplatzes liegt die Semperoper mit ihrem internationalen Ensemble, nur ein Katzensprung enfernt das Dresdner Staatstheater. Eine offensive Positionierung gegen den backlash in großen Teilen der deutschen Gesellschaft ist für Theater und Kultur nicht nur folgerichtig sondern dringend nötig – im Theater, vor dem Theater, in der Stadt wie in der Provinz!
Das nennt sich NO PASARAN!
Rob Kraatz