Theater.Frauen

Anke Dürr resümierte in einem Artikel im Spiegel von 2010 über Frauen im Theater als „Einzelkämpferinnen“ [x]. Werden Durchsetzungsvermögen und Konkurrenzfähigkeit als vermeintlich männlich konnotierte Eigenschaften nur übernommen oder eigene Strategien entwickelt? Gibt es einen Normalisierungsprozess, d.h. das in den Hintergrundtreten der „Geschlechterfrage“?  Wohl kaum, eine andere Sprache sprechen nicht nur die Zahlenverhältnisse, sondern auch die Erfahrungen vieler weiblicher Theaterschaffenden, die sich neben dem marktgeschuldeten Zwang der Selbstinszenierung auch mit machistischen bis sexistischem Verhalten (von Intendanten, Regisseuren, you name it…) und tradierten Strukturen zu kämpfen haben. Ohne es explizit auszusprechen, gibt Stefanie Grau in ihrem eigenen Arbeitsleben mit polasek&grau bereits eine sinnvolle Strategie vor – schließt Euch zusammen, stärkt Eure Handlungsfähigkeit im Bündnis, heraus aus dem EinzelkämpferInnen-Dasein. In diesem Sinne: Bildet ein, zwei, viele Banden!

In diesem Gastbeitrag stellt sich Stefanie Grau den Fragen des Theater.Frauen Kongress und findet neben interessanten Menschen und Ideen vor allem noch mehr Fragen.

Foto: Fabian Schellhorn

Foto: Fabian Schellhorn

Vor ein paar Wochen wurden wir, polasek&grau, zu Theater.Frauen eingeladen – eine Initiative von Maria Nübling und Christina Gassen am Institut für Theaterwissenschaften der Freien Universität Berlin. Die Initiative wollte der Frage nachgehen: „Wo sind eigentlich die Frauen im Theater?“. Die Hörsäle der theater-orientierten Studiengänge werden vom weiblichen Geschlecht dominiert, im beruflichen Kontext kehrt sich das Verhältnis Frauen und Männer aber dann um. Laut der Zeitschrift Theater heute vom März 2011 sind im Stadttheater von 124 Intendanten in Deutschland nur 19 Frauen. 29 Prozent der Regisseure seien weiblich, wohingegen das Geschlechter-Verhältnis im Bereich der Regieassistenz mit einem weiblichen Anteil von 50,6 Prozent ausgeglichen ist. Was passiert mit all den Frauen, die ihren Weg als professionelle Theatermacherinnen antreten? Wo bleiben sie auf der Strecke und warum?

Jana Polasek und ich wurden von den Initiatorinnen eingeladen, im Rahmen der Veranstaltung einen Workshop zu geben. Klar, dachte ich. Machen wir. Wir arbeiten seit ein paar Jahren als Kollektiv polasek&grau zusammen. Jana hat sich der Regie verschrieben, ich mich dem Raum. Dabei ist es uns wichtig, die Grenzen dazwischen zerfließen zu lassen, durchlässig zu machen. Und wir sind weiblich. Also gehen wir hin.

Ich muss zugeben, dass ich mich am Anfang mit der Frage nach dem Weiblichen im Theater etwas überfordert fühlte. Nichts, womit ich mich in erster Linie identifizieren wollte. Mir ist bewusst, dass deutlich mehr Männer als Frauen im Theater arbeiten, ich habe daran bisher jedoch nur selten Anstoß genommen. Jetzt also diese erst mal neuen, auch befremdenden Fragen, denen ich mich als Teilnehmer an der Initiative aber ausdrücklich öffnen wollte: Wodurch entsteht dieses Verhältnis?

Gibt es bestimmte, nicht zuletzt geschlechtlich geprägte Anforderungen an meine Persönlichkeit, um meinen Berufswunsch ausüben zu können? Wie sieht der Stereotyp eines Regisseurs aus? Eines Bühnenbildners? Gibt es den? Was muss ich faktisch mitbringen, um ein Haus leiten zu können? In wie weit ist unser Denken von männlichen Rollenbildern beeinflusst? Wie verbreitet ist das noch: dass Frauen männliche Verhaltensmuster als gültig übernehmen? Was sind überhaupt männliche Verhaltensweisen? Gibt es auch diesbezüglich Vorurteile? Auch unvermeidliche Fragen nach Schuld tauchen in dem Zusammenhang auf, denen ich mich aber bewusst verweigere. Nach Schuld kann ich hier nicht suchen, allenfalls nach verändernden Prozessen. Wie beginnen sich eigentlich Dinge zu ändern?

Darum wollte ich teilnehmen. In Austausch treten. Sehen und hören, was andere zu sagen haben. Denn ein Thema ist es – Emanzipation, Rollenbilder- und Klischees. Lange schon. Und vielleicht begründet sich meine Einstellung auch auf dem Vermächtnis engagierter Frauen, die ein Leben lang für die Privilegien gekämpft haben, von denen ich heute so selbstverständlich profitiere. Ich bin hingegangen, um mich nicht darauf auszuruhen.

Unser Plan war es, uns in unserem zweistündigen Workshop gegenseitig zu interviewen. Mit Fragen zu unseren Arbeiten, Sichtweisen, Vorgehensweisen. Und natürlich die Frage nach dem Frau-Sein beim Theater-Machen. Die Frage würde ich nicht genau beantworten können, auch nicht unbedingt wollen, interessierten mich wie gesagt bislang die Inhalte, losgelöst vom Geschlecht. Doch wie kann man das standhaft behaupten, wenn es wirklich so wenige Frauen sind, die sich in diesem Metier durchsetzen, dabei so viele, die damit leidenschaftlich beginnen. Somit stehe ich damit wieder am Anfang.

Es wurde viel diskutiert, besprochen, beraten, analysiert. Der Tag war sehr inspirierend und auch sehr informativ. Ich habe viele Frauen kennengelernt, die ähnlich denken wie ich. Und es wurde viel gefragt: „Wie arbeitet ihr“, „Wo arbeitet ihr?“, „Wie seid ihr ans Theater gekommen?“, „Seit wann seid ihr am Theater und was habt ihr bisher gemacht?“, „Wie könnt ihr das mit Eurem Privatleben vereinbaren?“ oder auch „Möchtet ihr Kinder und wenn ja, wie lässt sich das mit den Arbeitszeiten vereinbaren?“, „Habt ihr das Gefühl, Euch gegen eine männliche Dominanz durchsetzen zu müssen?“, „Welche Erfahrungen habt ihr im Off-Theater gesammelt?“, „Wusstet ihr, dass das Verhältnis im Off-Theater genau umgekehrt ist?“- „Nein“.

Selber haben wir dann auch die Workshops anderer Teilnehmer besucht und am Ende eine sehr angeregte Podiumsdiskussion erlebt. Die Liste der eingeladenen Gäste war beeindruckend: Susanne Kennedy, Shermine Langhoff, Henrike Iglesias, Yvonne Budenhölzer, Christina Haberlik, Dr. Eva Högl (stellv. Vorsitzende der SPD- Bundestagsfraktion), um nur ein paar Namen zu nennen, die dann auch auf besagter Podiumsdiskussion miteinander in Austausch traten. Susanne Kennedy warf die Frage nach weiblichen Vorbildern im Theater auf – etwas, das ihr fehle. Die Frage nach der Einführung einer Frauenquote im Theater hat Shermine Langhoff verneint. Das sei keine Arbeitsgrundlage. Ein weiteres Thema war die Frage nach Familie und der Unvereinbarkeit von Kind und Theater. Die Arbeits-/ Probenzeiten ließen es fast nicht zu, neben dem Beruf auch Kinder zu bekommen. Die Einführung einer hausinternen Kinderbetreuung ist ein bereits erprobtes Modell. Hat sich meiner Kenntnis nach nicht wirklich durchgesetzt. Schade.

Neben spezifisch weiblichen Themen wurde aber auch angesprochen, wie man seine Gagen besser verhandeln kann, wie hilfreich es sein kann, sich gegenseitig zu empfehlen und zu vernetzen, positive gossiping zu machen (Anregung von Frau Högl, die meinte, Männer machen das selbstverständlich), dass aktuelle statistische Erhebungen als Gesprächsgrundlage auf nächster Stufe gemacht werden müssen, und vieles mehr.

Der Tag war von Fragen bestimmt. Fragen nach Ursachen und Handlungsmöglichkeiten. Fragen, die das Thema erst mal bewusster machen – die zusammenführen. Den Gedanken an Konkurrenz außen vor lassen. Neue Arbeitsmöglichkeiten- und Zusammenhänge generieren, und mit Veränderungen im Kleinen anfangen, da wo es am besten funktioniert. Vom Kleinen ins Große in dem Fall. Mehr davon! Ich bin dabei (und berichte gerne wieder davon)!

Stefanie Grau

Foto: Fabian Schellhorn