Katalogische Räume und Raumkataloge
Eindrücke von der Architekturbiennale
Immer ist die Zeit viel zu knapp auf der Biennale in Venedig. Seit Jahren fahre ich extra hin und seit Jahren plane ich jedes mal zu wenig Zeit ein. Es wird also nur ein Spaziergang. Inspirierend ist es allemal, die Pavillions zu durchstreifen, eigene Projekte im Kopf (deshalb auch immer so wenig Zeit) – und so ziehen automatisch die Räume und Ideen meine Aufmerksamkeit auf sich, nach denen ich eh suche. Im Moment interessieren mich atmosphärische Räume, Orte die erlebbar sind. Ich schaue genau, wie Innenarchitektur und Design den Besucher einlädt, einen Raum zu nutzen und wie der Besuch durch das Design vielleicht zu einem Erlebnis wird.
Architektur und Bühnenbild liegen in dem Sinne hier recht nah beieinander: Inszenierte Räume, die per se bespielt werden müssen, da in ihnen Konzepte und Projekte nicht nur attraktiv präsentiert werden müssen, sondern auch um die Aufmerksamkeit der Besucher gebuhlt wird. Insbesondere auf dieser Biennale wird Architektur an ihrer Nähe zum Menschen gemessen, wird der soziologische Auftrag unter die Lupe genommen.
Das passt zufällig perfekt zu einem der Themen der von Rem Kohlhaas kuratierten Ausstellung: Unter dem Titel „Monditalia” wird sich im Arsenale auf unterschiedliche Weise architekturtheoretisch Italien als beispielhaftem Gastgeberland genährt. Zum ersten Mal wird dabei spartenübergreifend mit der Tanz-Biennale zusammengearbeitet und so zieht sich auch das Thema Architektur und Tanz durch die gesamten Corderie dell’Arsenale, mal wird Raum gelassen für die Tänzer, mal eine einfache, hölzerne Zuschauertribühne in die alten Hallen gestellt, dazwischen Tänzer, die Leere zwischen den Säulen mit ihren Bewegungen ausmessend. Mal ist es ein blinder Tänzer, der den Raum und seine Hindernisse mithilfe seines Körpers erforscht.
Das zweite Thema des kuratierten Teils der Ausstellung ist eine Art Versuch der Katalogisierung Architektonischer Bauteile – daher auch der Titel für die gesamte Biennale: „fundamentals“ – dieser Teil konzentriert sich auf den zentralen Padiglione Italia in den Giardini unter dem Titel „Elements of Architecture”. Es ist im Prinzip tatsächlich eine Ausstellung der Elemente, die Architektur ausmachen. Das funktioniert mal besser, mal schlechter, ein Raum voller verschiedener Sorten Fenster erinnert nun mal an einen Baumarkt. Allerdings verleitet ein Raum voller Treppen auf- und abzugehen, zu spielen. Die absurde Reihung hat etwas abstrahierendes, ja, bühnenbildnerisches, falls es das gibt. Großartig das Video im Hauptsaal, in dem sämtliche Filmszenen aneinandergereiht wurden, in denen Architektur benutzt wird, minutenlang Schnitte von Türen, die geöffnet werden, Vorhängen, die zur Seite geschoben werden etc. Gesten, die in jedem Fim selbstverständlich sind, in der Konzentration nochmal deutlich hervorheben, dass hier Architektur benutzt wird, dass die Architektur Grundlage dieser Bewegung ist. Es sind Schauspieler, die hier mit Kulissen umgehen, ganz genau wie wir tagtäglich und selbstverständlich mit der uns umgebenden Architektur umgehen.
Außerdem setzt sich diese Biennale mit dem Erbe der Moderne auseinander, wie in der Ausstellung „Monditalia” mit dem wunderbaren Film “Milano 2 and the Politics of Direct-to-home TV Urbanism” (von Andrés Jaque/Office for Political Innovation, der für diese Arbeit den silbernen Löwen bekommen hat) und in der erstmaligen Vorgabe eines Themas für die 65 Länderpavillions, nämlich “Absorbing Modernity: 1914-2014” wodurch sich tatsächlich eine Art Parcours durch die gescheiterten Ideen und Ideologien – auch auf architektonischer Ebene – der letzten hundert Jahre ergibt.
Zum Beispiel geht es in dem französischen Beitrag unter anderem um die Trabantenstadt-Albtraum-Visionen des Filmemachers Jaques Tati, der in Filmen wie “Playtime” schon die Absurdität der Ideale der Modernen Welt persifliert (“Modernity: promise or menace?” Kurator: Jean Louis Cohen.)
Genau gegenüber wurde in den deutschen Nazibau originalgetreu der Bonner Kanzler-Pavillion nachgebaut – inclusive Mercedes vor der Tür – der Clash zwischen Faschoarchitektur und der Läuterungsbehauptung der Bonner Republik ist perfekt. („Bungalow Germania” von Alex Lehnerer, Savvas Ciriacidis)
Die Wände des österreichischen Pavillions sind gepflastert mit einer Aufreihung von Modellen im selben Maßstab aller Parlamente der Welt – also 196 Demokratien – ein beeindruckender Kommentar zur Darstellung von Macht und Repräsentation, schlau und hübsch dazu (“Plenum. Places of Power” von Christian Kühn.)
Das sind natürlich nur einige wenige Beispiele, für diejenigen, die neugierig sind und es noch nicht nach Venedig geschafft haben, ist die Architekturbiennale noch bis zum 23.11.2014 geöffnet.