Interview No. 13 Raimund Bauer
Ich bin neugierig auf das Gespräch mit Raimund Bauer, über den ich zugegebenermaßen im Vorfeld nicht viel weiß, außer, dass seine Arbeiten sich offenbar nicht recht auf einen Stil festlegen lassen. Wilfried Schulz, noch-Intendant des Staatsschauspiels Dresden, schreibt beispielsweise in höchsten Tönen über ihn* und lobt dabei vor allem die Vielfältigkeit sowie Unfestlegbarkeit seiner Arbeiten, die Ungeduld und Neugierde, die ihn antreiben und die Vorliebe für Genauigkeit und Konzeptionelles Denken.
Ich frage mich also: muss man denn als Bühnenbildner eine offensichtliche wiedererkennbare Ästhetik verfolgen? Ist es nicht sowieso viel spannender, stattdessen anhand des jeweiligen Projektes nach neuen Aufgaben zu suchen? Braucht man eine Handschrift? Wir haben diese Fragen zum Thema des Gesprächs gemacht und einen Künstler kennengelernt, der eine sehr genaue Vorstellung von dem hat, was er sucht:
Ueberbühne: Dein Markenzeichen ist scheinbar, dass Du kein Markenzeichen hast, ist das Absicht oder hat sich das so ergeben?
Raimund Bauer: Nein, das hat sich nicht ergeben. Ich habe bei Erich Wonder studiert, und da haben alle versucht, so ähnlich zu arbeiten wie er, genauso bei den Studenten von Achim Freyer und Axel Manthey. Ich wollte das nicht. Was die Handschrift angeht, hat man sie eben oder man hat sie nicht. Ich hab sie nicht, Minks hatte sie beispielsweise auch nicht.
Stilistisch und ästhetisch ein einmal gefundenes Prinzip zu behaupten, das finde ich einfach für mich selber uninteressant, und deshalb mache ich es nicht, das ist gar nicht ideologisch, ich hab auch gar nichts dagegen, wenn das andere machen, in seiner Radikalität erzwingt das oft eine wirklich tolle Aufführung. Ich für mich will halt wissen, was beispielsweise an einer Verdioper anders aussieht als an Fidelio.
Es gibt bei mir die Suche nach einer dramaturgischen Notwendigkeit, die auf der Bühne entsteht, und das kann in verschiedensten formalen Ausprägungen und Herangehensweisen stattfinden. Und die entwickeln sich immer aus der Beschäftigung mit den jeweiligen musikalischen oder dramatischen oder literarischen Vorlagen.
Wenn ich meine Arbeiten anschaue, sehe ich aber schon, dass ich mir selber ähnlich bleibe, trotz aller Versuche, mich nicht zu langweilen: sie gehen z. B. eigentlich immer von Licht und Architektur aus, und es sind selten malerische Bühnenbilder.
Es gibt auch so etwas wie Werkgruppen, zwei, drei verschiedene Systeme, zwischen denen ich hin- und herpendle. Eines, das deutlich sehr architektonisch, sehr opernhaft, sehr effektbewußt ist – und auf der anderen Seite der Versuch, Objekte und Bedeutung möglichst zu reduzieren und mit sehr wenig auszukommen.
Einerseits statte ich mit Begeisterung große Opern aus und andererseits ist mein eigentliches Lieblingstheater das Sankt Pauli Theater, das mit 5 Technikern, ohne Drehscheibe und Schnürboden auskommt.
Foto: Schauspielhaus Bochum, Ein Mann will nach oben
UE: Gibt es denn eine Lieblingsästhetik?
RB: Ich mag keine Requisiten, ich räume eine Bühne lieber leer als voll, ich finde weglassen interessanter. Obwohl meine Minimalismusliebe immer wieder mit einem barocken Gefühl in Konflikt kommt. Das gibt unter Umständen einen Clash. Was mich immer weniger interessiert, ist realistische Räume nachzubauen. Was mich auch nicht interessiert ist jede Art von symbolischer Bühne, wenn der Vorhang aufgeht und der Zuschauer sofort weiß, was sich der Bühnenbildner und der Regisseur zum Stück gedacht haben. Es muss Raum geben für die Phantasie des Zuschauers, so dass sich das Bühnenbild im Kopf des Zuschauers erst am Ende des Stücks zusammenfügt, Sinn macht.
Foto: Schauspielhaus Bochum, Der zerbrochene Krug
UE: Wenn ich mir Bilder deiner Arbeiten anschaue, so unterschiedlich die Bühnen auch sein mögen – von der liegenden überdimensionalen Steinfrau über den Schrotthaufen, der sich öffnet und darunter eine Showtreppe offenbart über den riesigen weiß leuchtenden Kubus, bis hin zum Leuchtstoffröhrenmikado, das mitten im Raum hängt – sehe ich ein Interesse an inhaltlicher, konzeptueller Genauigkeit gepaart mit Begeisterungsfähigkeit für technische Eleganz, also für intelligente Bühnen, oder für die Poesie des Technischen..
Die Gezeichneten, Salzburger Festspiele
RB: Mein Lehrer war immer ganz stolz drauf, dass er die Stücke nicht liest. Ich bin das Gegenteil. Ich kenne die Stücke sehr gut. Und wenn ich weiß, da gibt es eine Verwandlung, soll das auch technisch so elegant wie möglich passieren, ich hab einen hohen Grad an Perfektionismus, ich verlasse mich ungern auf die Gunst des Augenblicks und versuche deshalb die Modelle so präzise wie möglich zu bauen, ich fotografiere die beleuchteten Modelle und meistens ähneln sich Realraum und Modell sehr stark.
In Bochum hab ich ein Stück von Fallada gemacht, „Ein Mann will nach oben“, da konnten wir die Höhen und Schrägpositionen der Leuchtstoffröhren einzeln programmieren, so dass sie wie ein Mikadospiel in Zeitlupe in den Raum gefallen sind, das ging natürlich aufgrund der genauen Punktzüge dort. Das war technisch sehr elegant aber auch sehr mühselig. Also sicher eine Vorliebe für intelligente Bühnen, das dekorative ist mir eigentlich relativ wurscht. Es geht tatsächlich darum, dass es dramaturgisch Sinn macht.
La Fanciulla del West, Opéra National de Paris
UE: Was ist das ideale Projekt?
RB: Es gibt kein ideales Projekt. Der spanische Maler und Bühnenbildner Eduardo Arroyo hat mal gesagt: man muss ein Bühnenbild planen wie einen Banküberfall: Ort, Zeit und Komplizen – alles muss stimmen.
* Wilfried Schulz über Raimund Bauer auf der Seite des Goethe-Instituts: http://www.goethe.de/kue/the/bbr/bbr/ag/bau/por/deindex.htm