Ödön von Horvath und das Theater
Zur Ausstellung „Ödön von Horvath und das Theater“ im Deutschen Theater Museum München.
Das Leben und Werk von Theaterschaffenden im musealen Raum auszustellen ist eine delikate Angelegenheit. Es konkurriert in gewisser Weise mit dem wesentlich ausdrucksstärkeren „Ausstellungsraum“ Theater, das mit Bühne und Schauspiel nicht nur das eigentliche Medium für das Publikum ist, sondern auch der Verhandlungs- und Erfahrungsraum um das Werk zu interpretieren, weiterzuentwickeln und nahbar zu machen. In der letzten Ausstellung im Deutschen Theatermuseum in München wurde sich mit Ödön von Horvath einem der im deutschsprachigen Raum meistgespieltesten Theaterautoren gewidmet. Ein Autor, der zudem die deutsche Literatur nach 1945 und die Gegenwartsliteratur maßgeblich beeinflusst hat. Das Kuratorenduo Nicole Streitler-Kastberger und Martin Vejvar gehen einen klugen wie naheliegenden Weg und entwickelten zusammen mit dem Bühnenbildner und Ausstellungsgestalter Peter Karlhuber ein Format, das den informativen Zugang eines Museums mit dem dramaturgisch-räumlichen Zugriff aus der Theaterpraxis geschickt collagiert hat.
Es gibt drei Räume, die sich gestalterisch und inhaltlich jeweils einem wichtigen Werk Horvaths und einem übergeordneten Begriff widmen. Noch bevor der erste Raum richtig betreten wird, lächelt einem aber in gewisser Weise schon das Ende an. Unter einem Ast, in der Länge über den Köpfen hängend, kann man sich über Horvaths etwas kuriosen Tod informieren (auf der Champs-Elysees im Juni 1938 von einem herabfallenden Ast erschlagen) und sich über Video anschauen wie der österreichische Kabarettist Josef Hader das humoristisch auf einer seiner Shows verarbeitet. Nach diesem kuratorischen Flick-Flack von quasi Prolog zu Epilog, öffnet sich einem ein größerer Raum voller Bierzeltgarnituren und Bierkrügen. Was nach einem ausgelassenen Gezeche aussieht, bezieht sich auf Horvaths Stück „Italienische Nacht“ anhand dessen auch die politischen und gesellschaftlichen Brüche nach dem 1. Weltkrieg bis hin zur Machtübernahme der Nationalsozialisten und dessen Einfluss auf Horvaths Politisierung in Werk und Persona skizziert werden. Als Requisiten dienen zeitgeschichtliche Fotos und Illustrationen, Bierkrüge sind mit Zitaten von Horvath und seinen Stücken bedruckt, Bühnen- und Kostümbildentwürfe aus den 70’ern zu „Italienische Nacht“ von Gerhard Jax kontextualisieren Zeitgeschehen und Zugriff. Die Besucher lernen über Horvaths frühe kritische Auseinandersetzung mit der Faschisierung der Gesellschaft, sein Anbiedern an das nationalsozialistische Deutschland zugunsten einer Arbeitsstelle (Horvaths Aufnahme in der Schriftstellerverband und seine Arbeit als Drehbuchautor von 1933-35) bis zu seinem endgültigen Bruch mit Deutschland, der Emigration und einer konsequent antifaschistischen Haltung. Durch das Treppenhaus begleiten einem weitere Bierkrüge, Dialoge aus Stücken, die Horvaths distinktive Sprache aufzeigen, Zitate und Familienfotos – bis sich auf der zweiten Etage ein Jahrmarktszenario auftut, das seinem Stück „Kasimir und Karoline“ entsprungen scheint.

Caspar Neher, Bühnenbildentwurf u „Kasimir und Karoline“, UA 1932, (c) KHM Museumsverband Wien
Wieder arbeiten historische Illustrationen und Gegenstände, Bühnenbildzeichnungen (von Caspar Neher) und der vermeintliche Bühnenraum bzw. die Installationen als Versatzstücke um sowohl das Werk als auch den thematischen Schwerpunkt von Geschlecht und Geschlechterverhältnissen in Horvaths Arbeiten zu beleuchten. Horvath hat sich schon früh kritisch mit der Stellung der Frau in der Weimarer Republik und in linken Kreisen auseinandergesetzt. Die Eigenständigkeit seiner Frauenrollen war ungewöhnlich für die damalige männlich dominierte (Theater)Literatur. Auch seine Affinität zu dem was wir heute allgemeinhin als Folklore bezeichnen, wie dem Oktoberfest und der bayrischen Kultur, finden in diesem Raum ihr Echo (eine Karussell spannt sich in den Raum und verschwindet halb in der Wand).
Der letzte Raum widmet sich seinem ersten großen Erfolg, dem Stück „Geschichten aus dem Wiener Wald“. Rechts eine stilisierte Fleischerei und links ein mit Puppenköpfen bzw. -masken ausgestatteter Raum verweisen auf die entsprechenden Handlungsorte im Stück – Oskars Fleischerei und die Puppenklinik des Zauberkönig. Der übergeordnete Topos ist „Ökonomie“ und widmet sich Horvaths Figurenkonstellationen, die unter den ökonomischen Sachzwängen ihrer bzw. seiner Zeit ihre klischeesierten Masken („Wiener Gemütlichkeit“) fallen lassen und sich gen Abgrund agieren. Der Gewalt der Zuschreibungen, dem als männlich konnotierten Fleischer oder dem „süßen Wiener Mädel“, das sich mit den falschen Leuten einlässt, begegnet Horvath mit einer Milieusprache, die in ihrer Phrasenhaftigkeit nicht mehr über die Misstände und Abgründe hinwegtäuschen kann. In „Geschichten aus dem Wiener Wald“, wie auch in seinen anderen Stücken, demaskiert Horvath unter Verwendung klassischer Figuren und Sprache des „Volkstheaters“ die Idylle des Kleinbürgertums. Horvath lebte selbst einige Zeit in Wien und hat sich trotz des großen Erfolgs von „Geschichten aus dem Wiener Wald“ nicht nur – oder alles andere als Freunde in Österreich gemacht. Umso konsequenter, dass die Ausstellung in ganz ähnlicher Form ihre „Uraufführung“ in Wien hatte.
Zeithistorische Dokumente, Plakate, Videos von Inszenierungen und nicht zuletzt die schöne szenografische Gestaltung, erlauben einen vielfältigen Zugriff auf das Werk des Autoren. Es fehlte etwas die Musik oder „musikalische Untermalung“, die in Horvaths Werk durchaus wichtig war. Es hätte dem collagenhaften Charakter der Ausstellung entsprochen und den „klassischen Museumsraum“ noch um ein paar Empfindungen reicher gemacht.
Es bleibt zu hoffen, dass diese reich bebilderte und gut strukturierte Ausstellung nach dem Theatermuseum München und der jetzigen stückweiten Öffnung der Museen, wieder einen neuen Ort findet.