Gebildete Banden
Am 22. Januar 2017 veranstaltete das ensemble-netzwerk und die Akademie der Künste ein Symposium mit dem Motto „Ensemble heißt: gemeinsam“. Neben der Schauspielerin Lisa Jopt und Ludwig von Otting vom ensemble-netzwerk, waren viele Gäste und Diskutanten aus Theater und Theateradministration geladen.
Leider war ich zu kurz da um eine umfassende oder auch nur annähernd stimmige Dokumentation des Abends geben zu können, also wird sich das Ganze mehr als Appell lesen.
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Das ensemble-netzwerk ist eine von verschiedenen SchauspielerInnen gegründete und inzwischen von unterschiedlichsten Theaterakteuren unterstützte und getragene Bewegung, die sich für eine aktivere Beteiligung an administrativen wie auch künstlerischen Prozessen im Theater einsetzt.
Deshalb: auch als freischaffende Bühnen- und KostümbildnerInnen sind uns die Arbeitsstrukturen an Stadt- und Staatstheatern vertraut. Dass das für viele von uns der Traumberuf ist, sollte nicht bedeuten an Kritik zu sparen, wenn es die Anerkennung, gerechte Bezahlung und familienfreundliche Strukturierung unserer Arbeit betrifft. Es geht hier um unsere KollegInnen, mit denen wir die Arbeit, künstlerische Visionen und Freundschaften teilen. Es geht um uns und schlussendlich auch um gesellschaftliche Mechanismen, die nicht so einfach hingenommen werden dürfen. Auch außerhalb des Theaters wird gekämpft, sei es in anderen kulturellen Einrichtungen wie vor zwei Jahren beim Rundfunkchor Berlin, sei es durch die PflegerInnen der Charité in Berlin, durch die ArbeiterInnen bei Amazon, in der Universität Frankfurt durch die basisgewerkschaftliche Organisation „Unterbau“ oder im Knast durch die Gefängnisgewerkschaft GG/BO. Viele dieser Kämpfe werden gewerkschaftlich geführt oder gebündelt.
Für die SchauspielerInnen am Theater, ebenso für Regie-, Dramaturgie-, Bühnen- und Kostümbildschaffende gibt es keine gewerkschaftlichen Vertretungen. An diese Stelle treten verschiedene Interessenverbände (für BühnenbildnerInnen z.B. der Bund der Szenografen), die ihre Wünsche, Kritik und Forderungen u.a. an den Deutschen Bühnenverein (Arbeitgeberverband) und den GDBA (Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger, Arbeitnehmerverband) tragen. Diese handeln die Tarifverträge aus – sind als Interessenverbände, im Gegensatz zu größeren Gewerkschaften, aber nicht mit der organisatorischen und politischen Kraft ausgestattet um Forderungen, die über theaterstrukturelle Komplexe hinausgehen, wie Subventionen, Sanierungsmaßnahmen und den Erhalt von Sparten oder ganzen Häusern, wirksam und lautstark zu artikulieren.
Nichtsdestotrotz oder gerade deswegen ist es wichtig „Druck von unten“ zu formulieren und sich mit seinen KollegInnen solidarisch zu zeigen, im besten Falle mit zu organisieren und für eine „schlagkräftigere“ Bewegung zu kämpfen.
Dass sich der Einsatz für Mitbestimmung, für flache Hierarchien oder für Gagentransparenz auch lohnen kann, erläuterte auf dem Podium Elisabeth Schwarz anhand ihrer Erfahrungen als Schauspielerin am Theater Frankfurt unter Peter Palitzsch zwischen ’72 und 1980. Neben der Schaubühne Berlin unter Peter Stein, die einem ähnlichen partizipatorischen Ansatz folgten, gehörte das Frankfurter Schauspiel zu dieser Zeit zu den innovationsfreudigsten um prominentesten Theatern im deutschsprachigen Raum und inspirierte viele andere Betriebe zu ähnlichen Modellen oder Versuchen. Elisabeth Schwarz erzählt auch von der gleichzeitigen Mehrbelastung, die sich zu dem schauspielerischen Engagement addierte und dass sich diese Versuche in einer gesamtgesellschaftlichen Dynamik der damaligen Zeit spiegelten.
Man könnte also zurecht fragen, wie so eine heutige „Bewegung“ im Theater aussehen würde – in Anbetracht einer diversifizierten, neoliberalen Gesellschaft und ihrer identitären bis reaktionären Flatulenzen!? Alexander Khuon gibt auf dem Podium darauf etwas ungewollt Antwort, wenn er von seinem Ensemble bzw. seinen KollegInnen am DT als „indifferenten Haufen“ spricht und daraus ableitet, dass es dieses gemeinsame Bedürfnis [also „Bewegung“] so überhaupt nicht gäbe (auch weil er das DT schon strukturell und in Kommunikation zur Intendanz besser aufgestellt sieht).
Lisa Jopt vom ensemble-netzwerk betont, bei aller angemessenen Angriffslust, auch immer wieder, wie wichtig ihr die Zusammenarbeit mit der Intendanz und dem administrativen Bereich ist. Es geht ihr und ihren KollegInnen nicht um ein vulgär-revolutionäres „Wir da unten“ gegen „Euch da oben“ sondern, soweit möglich, um eine gemeinsame Anstrengung zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Sie sieht in einer stärkeren Mitbestimmung z.B bei der Wahl der Intendanz oder bei der künstlerischen Konzeption, eine Möglichkeit Ensemble-Strukturen nachhaltig aufzuwerten. Der Literaturwissenschaftler Thomas Schmidt, ebenfalls im Vorstand des ensemble-netzwerks, formuliert das etwas schärfer und spricht von der Notwendigkeit einer „kopernikanischen Wende der Theaterstruktur“. Kernthese seines Vortrags (wie auch seines Buches „Theater, Krise und Reform“) ist der Widerspruch einer antiquierten, vertikalen Organisationsstruktur, sprich dem Theaterapparat zur künstlerischen Produktionsweise, die er als horizontal darstellt und den daraus entstehenden Spannungen. Er fordert die Schaffung entsprechender (Arbeitnehmer-)Vertretungen, wie es auch in anderen wirtschaftlichen Betrieben normal ist und eine größere ethische Verantwortung des gesamten Theaterbetriebs.
Die Vorträge und Diskussionen gingen noch ein gutes Stück weiter und boten mit Oliver Reese, Ralf Bolwin oder dem Politiker und Bühnenbildner Notker Schweikhardt noch recht unterschiedliche Positionen. Dem konnte ich aber, wie schon erwähnt, nicht mehr komplett beiwohnen.
Einen Audiomitschnitt der gesamten Veranstaltung gibt es hier.
Das nächste bundesweite Treffen des ensemble-netzwerk findet übrigens im Mai in Potsdam statt!
von Rob Kraatz