Bühnenbild Studieren No. 2: Akademie München

Nachdem wir die Bühnenbildklasse bei Henrik Ahr in Salzburg vorgestellt haben, freuen wir uns jetzt darüber, hiermit ein „Gegenstück“ präsentieren zu können, was Konzept und Herangehensweise an Bühnenbild Lehren angeht. Beide Professoren vereint Begeisterungsfähigkeit und großes Interesse an den Wegen, die ihre Studierenden einschlagen.
Beide haben vor ca. 4 Jahren angefangen, die Klasse zu leiten und können sich also noch gut entsinnen, mit welchem Anspruch sie angetreten sind. In Katrin Bracks Klasse hat man allerdings das Gefühl, ähnlich wie bei ihrer eigenen Arbeit, dass das Interesse für das Immaterielle einen größeren Stellenwert hat. Aber eines nach dem andren.

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Als sie vor 4 Jahren die Leitung der Klasse übernommen hat, standen überall Modelle in 1 zu 50 rum. „Schmeißt die weg! Das könnt ihr später machen, wenn ihr eine Ahnung vom Raum habt!“ war die erste Ansage.
Stattdessen war die Semesteraufgabe, ein Modell in 1 zu 10 von der eigenen Küche zu bauen, besonders wichtig: Herd, Spüle und Kühlschrank, ohne Wände. Dann drehte jeder einen kleinen Film in diesem Modell, mit Küchengeräuschen. Zum Semesterende wurde für den Rundgang an der Akademie dann ein deckenhohes Regal in den leeren Klassenraum gestellt, mit einem funktionierendem Herd, einem Kühlschrank, einer Spüle, den Modellen und Monitoren für die im Loop laufenden Filme sowie Lebensmittel und Getränke. Und dann haben die Studierenden während der Ausstellung für die Besucher eine Woche lang gekocht.

Die Ausstellungen anlässlich der Jahresrundgänge haben in dieser Klasse, die Katrin Brack mit ihrer Assistentin Evi Bauer leitet, grundsätzlich einen hohen Stellenwert, aber diese erste Ausstellung, so Katrin Brack, war gerade durch das gemeinsame Kochen eine der tollsten, und zwar wegen des Miteinanders, dem gemeinsamen Erleben zwischen Zuschauer und Studierenden. Die besondere Form der Kommunikation, die durch das Einladende des gemeinsamen Essens entsteht, während über die Arbeiten der Studierenden gesprochen wird, zieht auch eine Parallele zum Theater, in dem in den letzten Jahren eine immer größere Öffnung stattfindet, es mehr Interaktion mit dem Publikum gibt. Diese Veränderungen beeinflussen auch die Art und Weise, wie man Bühnenbild denkt und auch studiert. Und erfreulicherweise wird hier der Versuch gemacht, das auch zu berücksichtigen.

Im darauffolgenden Sommersemester wurde dann aber doch wieder ganz klassisch ein Stück behandelt, „der Sturm“ von Shakespeare, das muss also auch sein.
Dafür war die wieder nächste Aufgabe, ein Maskottchen zu „Jeff Koons“ von Rainald Götz zu schaffen. Oder zu einer Zeile oder einem Kapitel daraus. Nach anfänglichen Schwierigkeiten, weil die ersten Ideen wohl sehr abstrakt waren ist auch dieses Projekt letztendlich ein Liebling geworden und die entstandenen Maskottchenkostüme hatten sogar einen Gastauftritt bei Schorsch Kameruns Inszenierung an den Kammerspielen. Also ein Studium ganz nah am Theater aber weit entfernt von Pappen, Bauproben und Maßstabszeichnungen – oder?

Katrin Brack bezeichnet als eine der größten Schwierigkeiten für die Studierenden, einfach zu denken. Das klingt erst mal paradox, dabei möchte die Professorin sie dazu bringen, wie sie sagt, genau hinzuschauen. Und deshalb werden in der Klasse auch Aufgaben gegeben, die vielleicht nur aus einem Wort oder einem Konzept bestehen, anstatt eines Theaterstückes; Aufgaben, die eher zum ausprobieren anregen sollen als zu der tausendsten Interpretation eines bekannten Stoffes.
Zum Beispiel bei dem aktuelle Semesterprojekt: jedeR überlegt sich einen Gegenstand, der in zwei verschiedenen Vergrößerungen hergestellt wird. Die Frage ist also, welcher Gegenstand erhält durch eine Vergrößerung einen anderen Ausdruck, oder einen Witz, einen ungeahnten Sinn, wie verschiebt sich der Charakter eines Gegenstandes. Je banaler und profaner der Gegenstand, desto spannender kann das werden, so die Annahme, wenn man genau hinschaut, was diesen Gegenstand ausmacht, was das besondere daran ist, und wie man ihn präsentiert. Keine einfache Aufgabe, und sicherlich eine, auf die man sich einlassen muss.

Dabei geht es nicht darum, dass die Studierenden Kunst produzieren. Es ist alles Bühnenbild, was im Raum Geschichten erzählt – so lautet hier die Devise. Wie in dem Semester, als die Studierenden Möbel entwerfen sollten, die sich ohne Schauspieler bewegen. Vom Staubsauger, der Asthma hat bis zum Skattisch, der über langsame mechanische Bewegungen einen Spieleabend nachstellt, sind dabei Objekte entstanden, die über Theater, Spiel und Geschichtenerzählen nachdenken lassen.

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„Mir geht’s darum, dass die Studierenden eine eigenständige Haltung entwickeln und lernen, genau hinzusehen. Wie sie dann Ideen umsetzen, ob jetzt höchst realistisch, oder weiß der Teufel wie, ist jedem selbst überlassen“, betont Katrin Brack. Zum Konzept der Klasse gehört, dass es keine feste Studienstruktur, Kursabfolge oder Klassenhierarchie gibt und Noten oder Punkte keine Rolle spielen.
Die totale Freiheit; abgesehen von den ersten zwei Semestern Probezeit, nach denen entschieden wird, ob man weiterstudieren darf, oder nicht.

Wie funktioniert dieses Studium also? Macht einfach jeder, was er will? Wann er will? Und was ist, wenn er nicht will? Katrin Brack gibt zu: Freiheit, das hört sich super an, aber nichtdestotrotz es ist wahnsinnig schwer, sich als Studierender am Riemen zu reißen und einfach zu arbeiten. Oft kommen Leute nicht weiter, und da, so Brack, hilft alles grübeln und denken nichts, sondern nur ausprobieren.
Trotzdem hört sie sich die versuchten Wege, Sackgassen und die dabei gefundenen Probleme an, gibt Anstöße in neue Richtungen, ist für Fragen da.
Also: ganz viel Beschäftigung miteinander, ständiger Kontakt mit den Studierenden, so dass sie nicht verlorengehen in der Freiheit.
Wenn man das erste Jahr aber geschafft hat und weitermacht, kann man diese Freiheit eben auch genießen, um eigene Arbeitsweisen und Interessenfelder zu finden und zu erkunden und die vielen Möglichkeiten an der Akademie nutzen, selbstständig ganz viel kennenzulernen und so eigene Wege zu gehen, die einem kein Kursplan eröffnen kann. In einer Welt aus Bachelorprüfungen und ECTS-Punkten ist diese Oase des freien Lernens tatsächlich eine kleines Wunder.

Dabei bleibt natürlich das erklärte Ziel, BühnenbildnerInnen zu werden, und so ist es für den Abschluss schon erforderlich, ein Bühnenbildmodell bauen und Pläne zeichnen zu können. Dazu gibt es verschiedene Dozenten, die Seminare zu unterschiedlichen Themenbereichen anbieten, u. a. Matthias Günther, Dramaturg an den Münchner Kammerspielen, der in der Klasse Dramaturgie unterrichtet; Josef Rödel von der HFF, der für Szenographie zuständig ist; Theatertheorie lehrt Josef Beierlein; Uli Franz war Werkstättenleiter an der Staatsoper und lehrt CAD und ist zuständig für technisches Wissen; den Beleuchtungs-Workshop leiten abwechselnd Henning Streck und Benjamin Schmidt.

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Außerdem werden immer wieder Theaterleute eingeladen, die in die Klasse kommen und erzählen, wie sie arbeiten und wie sie dazu gekommen sind. Frank Baumbauer, Tilmann Broszat, Herbert Frisch, Andreas Kriegenburg, Bert Neumann, Julia Reichert, Muriel Gerstner, Theresa Vergho, Henrik Ahr und Milo Rau waren schon zu Gast in der Klasse und haben Einblicke in ihre nicht immer ganz linearen Wege und Theaterkarrieren gegeben.
Und zu guter Letzt wird der Austausch der Studierenden untereinander an der Akademie unterstützt und es finden erste gemeinsame Projekte mit Regie- und Schauspielstudierenden von der Theaterakademie August Everding (mit der es eine ständige Kooperation gibt), der Otto-Falckenberg-Schule und  der HFF statt. Auf diesem Wege werden praktische Erfahrungen gesammelt und andere Denkweisen kennengelernt und es vielleicht findet sich auch schon das ein oder andere Team, das später auch am Theater zusammen arbeiten wird.

Mehr über die Klasse und aktuelle Termine wie Rundgänge etc. gibt es hier: http://buehnenbildkostuem.blogspot.de/ Wir freuen uns über ergänzende Infos, Feedback und eigene Eindrücke!

Text von Thea Hof
Fotos von Paul Hiller