Bühnenbild Studieren No. 1: Salzburg, Mozarteum

Wir freuen uns, unsere kleine Reise durch die deutschsprachigen Kunstunis anzutreten und den ersten Baustein in unserer Reihe über Bühnenbild-Studium präsentieren zu können, denn auch Bühnenbilden will gelernt sein. Wir wollen wissen, wie und ob das geht, mit welchen Denkweisen und Gewichtungen das Studium angegangen wird, was den StudentInnen mitgegeben und was von ihnen erwartet wird.

Los geht es in Salzburg. Das liegt im Gegensatz zu Wien, wo ich auch schon mal hingezogen bin als ginge es in den Skiurlaub, tatsächlich irgendwo mitten in den Bergen. Dabei ist es die viertgrößte Stadt Österreichs und ist gut bestückt mit allerlei Weltkulturerbe, kultureller wie baulicher Schönheit, alpinem Flair, katholischen Österreichern und einer respektablen Suizidrate. Alles, was man zur Inspiration braucht, könnte man meinen.
Im Sommer locken gutes Bier, Mozart, Sound-of-Music-Kitsch und die Salzburger Festspiele Massen an Touristen an, die nebenbei dafür sorgen, dass ein Flug Berlin-Salzburg so viel kostet wie normalerweise eine Woche Urlaub (an der Ostsee). Doch wenn es ans Studieren geht, muss man erfahrungsgemäß in jeder Stadt, sei sie nun groß, jung und laut oder leise, klein, alt, dunkel, kalt und hinterwäldlerisch, in erster Linie das erste Wintersemester schaffen. Und ab hier gilt auch für für Salzburg: der Weg ist das Ziel.

Univ. Prof. Henrik Ahr, ist Professor der Klasse an der Universität Mozarteum Salzburg mit dem sehr beschreibenden Titel Bühnen- und Kostümgestaltung, Film- und Ausstellungsarchitektur. Das klingt, als wolle man hier ein möglichst breites Spektrum abdecken und das auch so kommunizieren: wenn man schon mal nach Salzburg zieht zum studieren, soll einem hier auch ein pralles Programm geboten werden. Salzburg, muss man wissen, befindet sich aufgrund der schweren Erreichbarkeit quasi in der Diaspora. Also muss man sich etwas ausdenken, wenn man bei einer niedrigen Zahl Studierender und 17 Lehrenden in einem Studiengang, von dem es eh immer mehr AbsolventInnen gibt, als gebraucht werden, alles zusammenhalten will. Auch wenn es dann für die StudentInnen vielleicht nicht immer einfach ist, sich in diesem Dickicht zurechtzufinden und für sich herauszufischen, was einen interessiert und in der eigenen Suche weiterbringt, ist das angebotene Spektrum hier gewiss groß. Die entlegene Lage bietet somit immerhin die Möglichkeit, sich eine Zeitlang komplett auf das Studium einzulassen, alles mitzunehmen ohne groß abgelenkt zu werden, sich wirklich Raum und Zeit zu gönnen, sich auszuprobieren.

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Henrik Ahr zufolge steht er deshalb immer im Dilemma des Spagats zwischen Verschulung der Klasse  – technischer und praktisch orientierter Pflichtunterricht nach Plan – auf der einen und einem freieren akademischen Gedanken auf der anderen Seite: „Man muss einerseits eine Struktur reinbringen, damit die Leute da bleiben, und will diese trotzdem brechen, sodass jeder seinen Weg gehen kann.“

Ihm ist es dabei vor allem wichtig, dass die StudentInnen, die bei ihm anfangen wollen, ganz einfach erst mal eine gute Portion Offenheit  und Interesse mitbringen. „Als StudentIn muss man viel Interesse für viele unterschiedliche Felder mitbringen, man muss an einem Thema arbeiten wollen, die Ausdauer haben, etwas suchen zu können, man sollte bereit sein, in einem Kontext zu arbeiten, in dem man die Fragen, die man hat, auch stellen kann.“ Das Studium steht hier erst mal für sich, das Interesse an Themen und die Suche nach Wegen, sich diesen zu nähren steht im Vordergrund.  Dass es ein harter Weg sein kann, wenn man den Bühnenbild-Job hinterher auch machen will, steht für ihn nochmal auf einem anderen Blatt. Im Studium ist der Weg, von dem niemand weiß, wohin er führt, das Ziel.
Dieses Jemanden-mit-auf-einen-Weg-mit-unbekanntem-Ziel-mitnehmen bedeutet aber auch für den Professor, der einen ausgewählt hat, immer eine Konfrontation mit der Verantwortungsfrage. Deshalb, erzählt uns Henrik Ahr, wird er auch nervös, wenn Studierende sich nicht mehr die Zeit nehmen, nicht den Ort und den Schutz der Studienzeit zu nutzen, und sich stattdessen eine  Bedienungshaltung à la „schnell her damit und weiter“ breit macht. Dabei gibt es im zentralen künstlerischen Fach keine Vorlesung, es ist reiner Kritikunterricht, in dem ich sich der Professor persönlich mit jedeR Einzelnen auseinandersetzt, so wird auf die spezifischen Fragestellungen und eingeschlagenen Wege versucht, sehr direkt zu reagieren und jeden einzelnen zu begleiten, ein sehr zeitintensiver Prozess. Diese Zeit muss aber eben auch der/die einzelne jeweils mitbringen.

Nach dem Alleinstellungsmerkmal gefragt, antwortet Henrik Ahr: „Der erste Satz in der Broschüre fürs Bildungsministerium in Wien lautet „Bühnenbild ist Konzeptkunst“.“
Für die Lehre bedeutet das: Die ersten anderthalb Jahre sehr viel Technikunterricht, und zwar tatsächlich im Sinne von Zeichnenlernen, Frei-Hand-Zeichnen, Arbeiten mit dem Stift, Aktzeichnen und Geometrie. Außerdem gibt es in den ersten Paar Semestern recht genaue Vorgaben für die Semesterarbeit: Parallel zum Zeichenunterricht fängt man im 1. Semester mit einer relativ freien Arbeit an, in der man sich mit Raum auseinandersetzt, zum ersten mal ein Raumkonzept erarbeitet. Das zeigt zum einen den recht architekturlastigen Einschlag der Klasse, da viele der Lehrenden aus der Architektur kommen, macht aber auch die praktische Auslegung, die hier gelehrt wird sichtbar. Es soll sich tatsächlich mit Raum auseinandergesetzt werden, und zwar zu dem Zweck hinterher Bühnenräume gestalten zu können. Das klingt erst mal wenig überraschend, wird aber zum Beispiel in der Klasse an der Akademie in München, um die es in dem nächsten Text zum Thema Lehre gehen soll, ganz anders gehandhabt.

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Aber zurück zum Studienplan in Salzburg. Im zweiten Semester machen die StudentInnen einen Trickfilm. Auch hinter dieser Aufgabe steckt ein sehr konkretes Ziel, nämlich, szenisches und konzeptuelles Denken zu lernen, sich der Frage zu stellen, wie eine Szene im narrativen Raum funktioniert. Trickfilm, so Ahr, weil diese Technik zur Entschleunigung zwingt: Szenisches Zeichnen dauert einfach. 18 bis 24 Bilder die Sekunde, das sind bei 3 Minuten über 4000 Bilder, das ist über ein halbes Jahr nur Zeichnen. „Der Moment der Entscheidung interessiert mich, dass man das als Experiment ansieht, als dauernden Prozess, man sich für einen Weg entscheidet, den man dann auch geht.“ Sagt der Professor dazu. Die Filme, die dabei entstehen, werden übrigens auch auf Festivals gezeigt, zum Beispiel jetzt beim Tricky Women in Wien (11. – 15.März 2015).

Danach geht es aber auch schon in den Theaterraum. Sowohl als Semesteraufgaben im Modell als auch mit ersten Theatererfahrungen. Vor zwei Jahren gab es eine Kooperation mit dem Theater Chemnitz mit je vier jungen Autoren und Regisseuren, die Teams gebildet und dort je ein Stück zur Premiere gebracht haben. Auch mit der Schauspielabteilung, wo Amelie Niemeyer die Leitung hat, wird kooperiert, sowie mit den Salzburger RegiestudentInnen. Die Zusammenarbeit mit dieser zunehmend renommierten Klasse läuft wohl meistens schon recht früh an. Das ist sehr erfreulich, denn die wichtigsten Auftraggeber sind später für BühnenbildnerInnen nun einmal die RegisseurInnen. Trotz der Einladung zum „raus raus raus“ in die Theaterwelt, sollen die StudentInnen aber für sich herausfinden können, was es heißt, im Modell in einem großen Raum zu arbeiten, auch wenn diese Entwürfe normalerweise nicht verwirklicht werden – im Gegensatz zu den Erfahrungen auf den kleineren Studiobühnen, auf denen man zwar schnell schon kleinere Projekte realisieren kann, wenn auch mit begrenzten Möglichkeiten und Budgets.

Die StudentInnen müssen also immer wieder ihre Arbeiten im Modell präsentieren, verschiedene Stadien eines Projekts vor der ganzen StudentInnenschaft und den Lehrenden zeigen. Innerhalb eines Semesters soll ein Projekt abgeschlossen werden, damit man lernt, mit Timing umzugehen, auch mit dem eigenen.
Besonders aufgefallen ist mir dabei, dass es Henrik Ahr darum geht: „dass die StudentInnen so non-verbal wie möglich präsentieren. Es geht ja darum, ein Bild zu machen, eine Atmosphäre zu erzeugen, deswegen ist es wichtig, dass man sein Konzept auch nonverbal kommunizieren kann, gerade weil man ja selten die Möglichkeit hat, das auf der Bühne zu präsentieren und zu überprüfen.“ Klar muss man auch mal was dazu sagen. Aber hier herrscht die Haltung „geredet wird eh genug“.

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Grundsätzlich wird in der Klasse dramaturgisches und szenografisches Denken gefordert und gefördert, die Themen und Konzepte werden selbstständig erarbeitet. „Das sollen ja keine Erfüllungsgehilfen werden.“ Sagt Henrik Ahr, und irgendwie erinnert mich dieser Satz sehr an meine eigene Studienzeit, in der immer die Angst herrschte, man könnte als jungeR BühnenbildnerIn ausgenutzt oder übertölpelt werden, sei es durch schlechte Bezahlung, unzureichende Arbeitsbedingungen, fehlende Infrastruktur, Ideenklau oder schlicht und ergreifend unterbezahlte 80-Wochenstundenjobs als Assistenten. Da es erfahrungsgemäß aber sowieso nichts bringt, sich durch Angst zu bremsen, hilft eine handfeste künstlerische Ausbildung wie hier in Salzburg dabei, selbstbewusst in den Beruf einzusteigen.*

Das Studium in Salzburg dauert 4 Jahre, das letzte Semester ist das Diplom-Semester. Deutsch ist Voraussetzung, die Frauenrate beträgt 97%. Weiterführende Informationen finden sich auf http://buehnenbild.moz.ac.at/ – oder beim nächsten Salzburg-Ausflug einfach mal im Mozarteum vorbeischauen (Paris-Lodron Straße 9, A-5020 Salzburg).
Wir freuen uns über Feedback und Insider-Eindrücke von Studierenden!

Text Von Thea Hof

*Vielleicht kann dieser Blog ja auch einen kleinen Teil zu diesem für BühnenbildnerInnen berufswichtigen Selbstbewusstsein beitragen. Allerdings habe ich durch meine prekäre Assistenzzeit viel gelernt und viele Menschen getroffen, die ich nicht missen will – aber zu diesem Thema und ab wann und vor allem wie man sich gegen Ausnutzung wehren kann, bald mehr auf dieser Seite von Rob Kraatz.